Unsichtbares Innsbruck

Ein literarischer Stadtführer

So wird eine individuelle Stadtgeschichtsschreibung […] mit ihrem eigenen Vokabular erschaffen […]. Es entsteht ein Ort, der physisch nicht greifbar und intellektuell unangreifbar bleibt, der nicht beschrieben, sondern dem nur zugeschrieben wird: Unsichtbares Innsbruck.

Unsichtbares Innsbruck: ein literarischer Stadtführer

108 Seiten, broschiert, mit 103 Fotografien und 44 Illustrationen.
ISBN 3-200-00404-5
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Wahrheit? Es gibt nichts dergleichen.

Geschichte? Nichts als Geschichten, Literatur.

Unsichtbares Innsbruck: Ihre persönliche Geografie, Ihr persönlicher Stadtführer durch das olympische Dorf („Die olympische Tour“), die Kirchenmeile („Der Pfad der Erleuchtung“), das jüdische Innsbruck („Die jiddische Versprengung“), das soziale Gefüge („Der gemeinsame Weg“) und das Ende aller Dinge („Abreise und Ankunft“).

Geschichte ist Literatur.

Geschichte findet nicht statt, sie wird geschrieben. Der Autor wählt bewusst und unbewusst Namen, Daten und Ereignisse aus und stellt sie in „den großen Zusammenhang“ – die Erzählung. Nicht (eine) Wahrheit, sondern ihre Inszenierung steht im Mittelpunkt.

Ein Innsbruck, das man in Büchern nicht findet.

Diesem postmodernen Verständnis von Geschichte folgt „Unsichtbares Innsbruck“, das den Leser geistig wie körperlich an Orte führt, die für gewöhnlich unerwähnt bleiben oder übersehen werden. So zeigt eine der Touren das Olympische Dorf als einen Ort, an dem Moderne und Anti-Moderne aufeinander prallen und so den widersprüchlichen Charakter des Stadtteils prägen; eine andere stellt das jüdische Innsbruck vor.

Alles ist erlaubt.

Ziel ist keine, ohnehin illusorische, objektive Stadtgeschichtsschreibung. Die „Fiktion des Faktischen“ (H. White) wird um das „Faktische der Fiktion“ (M. Foulland) ergänzt. In den Texten zu den einzelnen Sehenswürdigkeiten finden sich Lücken und Leerstellen, (Halb- und Un-)wahrheiten, die den Leser zur Auseinandersetzung mit der Stadt Innsbruck und ihrer Geschichte einladen.

Ich, Elena Krstic, bekenne mich hiermit zum Defätismus.
Ich erkenne das Scheitern als bestimmendes Lebensprinzip an.
In meinen Worten und Werken nehme ich es freudig an.

Unsichtbares Innsbruck, Auszüge (PDF; 2,21 MB)

[…] erinnert wird dabei an Richard Berger, den Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde, wohnhaft in der Anichstraße 13, der [Schlagen Sie das nach!], an Richard Graubart, wohnhaft Gänsbacherstraße 5, welcher [Schlagen Sie das nach!], an Wilhelm Bauer […]

Die Modernisten werden feierlich exkommuniziert. Wider den Irrlehren der Wissenschaftlichkeit und Kritik. […] Er will alle Menschen auf den Weg von Recht und Billigkeit zurückführen. Er spricht große Worte: eines ist Wahrheit.

Rezensionen

Dr. Ellen Hastaba

Ein Führer zum unsichtbaren Innsbruck. Ein Widerspruch? – Ein Führer zu dem Innsbruck, das nicht gern gesehen wird, das nicht in das gängige Bild der Weltstadt Innsbruck hineinpasst, nicht das Herz der Alpen in seiner Glanzpostkartenpracht abbildet, dennoch aber ins Herz trifft – nimmt man von diesem Buch ausgehende Impulse an und auf, lässt man sich auf diesen literarischen Stadtführer ein.

Literatur ist u. a. sprachliche Formung der Wirklichkeit, Literatur impliziert die Möglichkeit der Interpretation. Ein Führer – oder vielmehr ein Antiführer: ein intellektuelles Buch – eine ebensolche Herausforderung. Ein Widerspruch zu gängigen Stadtführern, ein zum Widerspruch reizendes Buch, ein auf Widersprüchliches hinweisendes Buch, wovon es in Innsbruck – auch wenn es in offiziellen Reden anders dargestellt wird – genug gibt. Ein Augenöffner, weil es auf Orte hinweist, vor denen die Augen meist verschlossen werden.

Fünf Pfade werden – paradigmatisch – durch dieses nicht gerne wahrgenommene Innsbruck gelegt: „Die olympische Tour“ erkundet das O-Dorf mit seiner Spannung zwischen Moderne (aus der Sicht der 60er- und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts) und Konservativismus, exemplifiziert an der Kirche zum hl. Papst Pius X. und Aussagen Pierre de Coubertins, des Begründers der Olympischen Spiele der Neuzeit, die wohl bei keiner offiziellen Eröffnungsfeier mehr zitiert werden werden. „Der Pfad der Erkenntnis“ führt durch die Höttinger Gasse und zu den dort beheimateten Religionsgemeinschaften. Zur Vorstellung derselben wird direkt oder indirekt aus entsprechenden Publikationen – „Selbstzeugnissen“ – zitiert; das schafft Distanz, ein Blatt zum persönlichen „Selbstzeugnis“ hebt dieselbe wieder auf (bzw. lässt sie erst recht deutlich erscheinen) und dient der Selbsterkenntnis des Lesers. Die Stationen zur „Jiddischen Versprengung“ sind in keine geschlossene Tour eingebunden. Sie liegen verstreut im ganzen Stadtgebiet wie auch einst die jüdischen Mitbürger integrativer (wenn auch nicht immer integrierter) Bestandteil der Stadtbevölkerung waren. Die persönlich gehaltenen (Text-)Impulse in Form eines fiktiven Briefes dazu sind in jiddischer Sprache samt deutscher Übersetzung abgefasst und enden am jüdischen Teil des Westfriedhofs, der zugleich so etwas wie einen Rahmen zum Buch gibt: Er – bzw. konkret das künstlerisch schön gestaltete Grabmal des bedeutenden Innsbrucker Gemeinderates Dannhauser – liefert das Motiv für den Umschlag, er ist erste Station der letzen mit „Abreise und Ankunft“ überschriebenen Innsbruck Tour, die zu den Friedhöfen der Stadt führt. Wobei in diesem Kapitel – wie bereits im vorhergehenden vierten „Der gemeinsame Weg“ – der literarisch/poetische Aspekt dieses Buches am meisten zum Tragen kommt.

Nicht Fakten hält das durchdacht grafisch gestaltete Buch bereit, sondern Fragen: Fragen an den Leser, an die Gesellschaft, an die Stadt. Innsbruck ist mehr als die Herzog-Friedrich-Straße, wenngleich auch die kein unproblematischer Ort ist, wie man den wenigen Notizen auf den Seiten 70/71 entnehmen kann. – Es ist ein ungewöhnlicher „Führer“, zugleich aber ein bemerkenswertes Buch!

Ursprünglich veröffentlicht in Ausgabe 4/2005 der Tiroler Heimatblätter.

J. M. Baerwald

Zeitgeschichte muß nicht das sein, was man gewöhnlich unter Aneinanderreihung von Geschehnissen versteht, tradiert und verarbeitet – und – der Historikerstreit bewies es hinlänglich – gesinnungsethisch verfälscht. Die Geschichte einer Zeit – so darf man hier interpretieren – schreibt sich selbstredend auch autonom, nicht gebieterisch, nicht von außen gelenkt, beeinflußt und manipulatorisch in Kategorien gestampft, sondern sich in biederer Geisteshaltung manifestierend.

In diesem Sinne Zeit und Geschichte zu erfahren, sie reflektorisch in sich reifen zu lassen, um sie zu verstehen, hat der Autor das „unsichtbare“ Innsbruck in glücklicher literarischer Überhöhung sichtbar werden lassen. Dem Leser, und hier sind jene angesprochen, die keine nackte Buchstabeninformation suchen, öffnen sich Schranken, die er hier oder dort nie vermutet hätte und die ihm Ein- und Ausblicke gewähren, deren morbide Schönheit (jüdischer Friedhof) oder dessen Synonymität für Glattfassadigkeit (ehemaliger, jetzt wohnbebauter Landeshauptschießstand) zum Nachdenken darüber anregt, ob sich nicht doch Innen- und Außenwelt des Dargestellten voneinander unterscheiden und Einflüsse dort unsichtbar bleiben, wo sie schlicht und einfach verdrängt werden.

So gesehen weist Unsichtbares Innsbruck ein Janusgesicht auf – unverschuldet, doch Zeitläufte nolens volens entlarvend. Der Leser wird es Moser danken wollen, denn eines steht fest: daß Rationalität nicht Emotionalität ersetzen darf dort, wo Menschen lebten, leben und leben werden. Und so führt der Autor durch eben jene Gefühlswelt, die sich dem Betrachter erst dann zu erschließen vermag, wenn er sich von der Idee befreit, daß alles, was er erblickt, die Wahrheit der Außenwelt  und ihr Innerstes unerschließbar sei. Dem ist gewiß nicht so, und wer Augen hat, der lese und erlebe in diesem Buch die Bilder der Innenwelt und werde sehend, damit er hernach Außenwelten als das entziffert, was sie sind: als pure Nacktheit von Fassaden, ungeschriebene Ists, unzitierbare Seins. Zur Ansicht und zitierbar werden sie erst, wenn sich ihre Geschichte erschließt. Dabei behilflich zu sein war Anliegen Gerhard Mosers. Es ist ihm wahrhaft gelungen!