Ein antikapitalistisches Feuerwerk

192 Seiten, Paperback
ISBN 978-3831137831
ausverkauft
Exposé
Das terroristische Ideal ist ein politischer Roman. Wie bereits im Titel angedeutet, wird er aus der Perspektive eines Terroristen erzählt. Dementsprechend radikal wird Stellung bezogen: gegen die Zumutungen der modernen Gesellschaft, gegen den Allmarkt, gegen jede Form der Ordnung. Der Leser erhält Einblick in die Gedanken und Beweggründe der Protagonisten, die ihre Gewalt, ihre „bewaffnete Propaganda“, als bloße Gegengewalt begreifen; die ihren (hausgemachten, wie sie es formulieren) Terrorismus als Mittel sehen, der Bevölkerung ihr „kopf- und gedankenloses Fließbandleben “bewusst und sie somit zu Mitstreitern zu machen. Ein Plan im eigentlichen Sinne existiert nicht: den Menschen sollen alle Garantien und Sicherheiten genommen, ihr Alltag zur Herausforderung werden. Jede Sekunde soll zum bewussten Augenblick reifen, jeder routinierte Handgriff zur bewussten Tat, im Gegensatz zum bloßen „Funktionieren im System“. Freilich scheitert dieser Ansatz und der „Terror gegen die herrschende Ordnung “wandelt sich zum „Terror gegen das Volk“.
Téa. Heute ist sie still und zurückgezogen, morgen schon explosiv und gemeingefährlich.
Das terroristische Ideal ist die Geschichte eines jungen Paares, das sich der Gesellschaft zu entziehen versucht, um sich letztendlich gegen sie zu stellen. Erzählt wird von ihren Auseinandersetzungen und Ausschweifungen, ihrer schrecklichen Fantasie und Entschlossenheit, ihrer gemeingefährlichen Leidenschaft und Kompromisslosigkeit. Kurz: von ihrem terroristischen Alltag.
Das Trinken muss nicht erwähnt, es muss genossen werden.
Das terroristische Ideal ist ein Buch voller Lebensfreude, ein antikapitalistisches Feuerwerk. Es beschreibt einen Rausch der Ideen, der Erkenntnisse und des stets präsenten Alkohols, der mit den „alkoholgesunden “Protagonisten und all ihren Taten unzertrennlich verknüpft ist.
Das terroristische Ideal ist ein Buch voller Verzweiflung, eine Chronik des Niedergangs: der Klarheit und der Menschlichkeit.
An die Unbedarften unter Ihnen jedoch, an die Zaghaften und an die Vorsichtigen: diese Worte sind eine Einladung! Dazu, nicht länger auf den Knien zu rutschen, nicht länger den Rücken zu krümmen, niemals, niemals, niemals mehr die andere Wange hinzuhalten.
Das terroristische Ideal macht den Leser zum Komplizen der Terroristen. Schritt für Schritt und Anschlag für Anschlag wird er, anfänglich humor- und schwungvoll, in deren Welt eingeführt. Mit den Charakteren lässt es sich zu Beginn leicht sympathisieren, mit ihren Idealen ebenso leicht identifizieren. Nach und nach erst offenbart sich dem Leser die eigentliche Dimension des Terrors und der Gewalt, der Humor entpuppt sich als Zynismus, der Leser muss sich abwenden. So wird terroristische Gewalt erklärt, begründet und in all ihrer Sinnlosigkeit entblößt.
Wir heilen keine Wunden, wir öffnen sie.
Hörbuch
Es gibt keine ruhigen Minuten mehr II

Aufgenommen am 1. Februar 2003 im Kulturgasthaus Bierstindl, Innsbruck.
Sprecher: Gerhard Moser
Originalaufnahmen wiederhergestellt und restauriert von dw.
Titel
Nichts leichter als ein Terroranschlag (2:49)
Das Terroristenkochbuch, Kapitel eins (9:53)
Ich bin keine, die glaubt (3:04)
Kein Entkommen, niemals (15:33)
Ihr seid die Sieger (3:21)
Gesamtlänge: 34:40
Rezension
von Robert Kerber
„Zurück in der Villa, der verlassenen Villa.“ Die Villa ist das Rückzugsterrain von Terroristin Téa, „explosiv und gefährlich“, und dem namenlosen Ich-Erzähler, Mitverschwörer und zeitweiligem Liebhaber, dem „guten Mann“, der später einen Entführten mit bloßen Fäusten zu Tode prügeln wird.
Ein bisschen wirkt sie wie ein Haus aus einem Traum, die Villa, leer stehend, die Fenster vernagelt, inmitten eines von Wildwuchs überwucherten Grundstücks. Hier köcheln die Gerichte, die die Welt in Flammen setzen sollen, die Rezepte scheinen direkt dem „Anarchist’s Cookbook“ entnommen zu sein – auch diese explosiv und gefährlich.
Es ist kein romantischer Traum, den sie leben, Téa und der „gute Mann“, er ist pure Dekonstruktion; sie wissen, wen und was sie vernichten wollen, aber eine Utopie haben sie nicht. Die Sprachlosigkeit, der sie die Büttel und Mitläufer des „Systems“ bezichtigen, sie bemächtigt sich auch ihrer, ihre Dialoge reduzieren sich auf den Schlagabtausch von Parolen, die ihnen im nicht enden wollenden Alkoholrausch leicht von der Zunge gehen. Dies ist nicht mehr der Anarchismus der Pariser Kommunen, nicht einmal mehr der sich verselbständigende Gewaltzyklus der Roten Armee Fraktion, es ist der Terrorismus eines Timothy McVeigh, der nur einen Auslöser braucht, um ein ganzes Gebäude mit hunderten von Menschen darin in Schutt und Asche zu legen.
Anders als ihr Begleiter, dessen Verrohung schrittweise vonstatten geht, propagiert Téa die totale Zerstörung von der ersten Sekunde an: „Brenne, brenne, brenne – die neue Welt mag später kommen“.
Mitunter scheint das exzessiv gelebte „Terroristische Ideal“ eine Wahnvorstellung, ein Fiebertraum: Der „gute Mann“ ohne Namen löst sich in seinem Aktionismus schier auf wie die Protagonisten von Robbe-Grillet. Von sich selbst spricht er, wenn er „Feindesland“ betritt, in der dritten Person. Er adressiert seine Mitstreiterin Téa mit „meine Damen“, beschreibt sie mal als dunkel, mal blond, mal rot, eine schillernde, chamäleonartige Figur. Er verhöhnt den ehemaligen Mitstreiter und jetzigen Stadtstreicher Raul, dem nach seiner Haftentlassung nur elf Zähne geblieben sind, auf eine unmenschliche Weise, die der verhassten bürgerlichen Moral in nichts nachsteht. Vielleicht ist der Erzähler selbst ein gescheiterter Raul, oder ein „Bürgerlicher“, der sich in gewalttätigen Tagträumen ergeht.
Schließlich stirbt unter der Hand des mörderischen Pärchens ein Sympathisant, der sie zur Umkehr bewegen wollte. Der letzte Faden zur Außenwelt, zu Vernunft, Menschlichkeit, politischer Räson, ist zerrissen. Die finalen, detailliert geschilderten Gewaltausbrüche sind übelkeiterregend wie in Malets „Das Leben ist zum Kotzen“ und Vians „Ich werde auf eure Gräber spucken“, und gerade darin, scheinbares Paradox, liegt die Moral des Buchs.
Das letzte Kapitel schließt den Kreis: Man flüchtet in eine neue Villa, von der aus weiter operiert werden soll, vielleicht ist es auch die des Anfangs. Ein Traum ohne Ende.
„Das terroristische Ideal“ ist kein leichtes Buch, auch kein stilistisch perfektes, aber von beeindruckender Intensität, jenseits von erhobenem Zeigefinger oder Terroristenromantizismus. Und, ja – man fiebert mit den Personen mit, in all ihrer Amoral, denn nur ein Autor, der seine Figuren trotz ihrer „Schlechtigkeit“ liebt, kann ihnen Leben einhauchen. Man trauert um das Paar, das jede Humanität, jede Utopie hinter sich gelassen hat; sie sind keine Opfer, keine Antagonisten des herrschenden Systems, im Gegenteil, sie bestätigen und stärken nur dessen autoritäre Auswüchse.